Traktoren vor Brandenburger Tor / Bild: © Foto: Jörg Carstensen/dpa

Nachhaltigkeit

Doppel-Wumms mit Folgen

Schluss mit Agrardiesel und Kfz-Steuerbefreiung?


Die Bundesregierung will klimaschädliche Subventionen in der Landwirtschaft abbauen. Die Bauern protestieren – und in der Politik regen sich erste Zweifel.

Es war ein 60-Milliarden-Euro-Wumms, den das Bundesverfassungsgericht am 15. November verkündete. Diesen gab es allerdings nicht on top – er riss ein großes Loch in die Haushaltspläne der Ampel. Denn das Gericht erklärte den zweiten Nachtragshaushalt 2021 für nichtig. Dadurch fehlen der Regierung 60 Milliarden Euro, die sie für Projekte im Bereich Klimaschutz (etwa für E-Mobilität oder Gebäudesanierungen) fest eingeplant hat. Nun folgte letzte Woche der zweite Wumms. Er beträgt zwar nur rund eine Milliarde, muss aber dafür von einem Prozent der deutschen Bevölkerung gestemmt werden: Den Landwirten.

Ein Doppel-Wumms mit Folgen

Die Bundesregierung hat angekündigt, aufgrund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, Subventionen in der Landwirtschaft zu streichen. Bisher konnten sich Höfe die Energiesteuer für Diesel teilweise zurückerstatten lassen. Zudem waren land- und forstwirtschaftliche Fahrzeuge von der Kfz-Steuer befreit. Ein Doppel-Wumms, der am Montag zum Aufmarsch in Berlin führte. Aber nicht nur die Bauern protestieren – auch in der Politik wachsen erste Zweifel.

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Protest der Landwirte – Schmerzgrenze laut Özdemir überschritten | heute journal

Heißer Januar steht bevor

Unter dem Motto: “Zu viel ist zu viel! Jetzt ist Schluss!” rief der Deutsche Bauernverband letzten Freitag zu einer Demonstration und Kundgebung in Berlin auf. Alle Landwirte, alle Berufsvertretungen sowie die gesamte Agrarwirtschaft waren angehalten, sich am Vormittag des 18. Dezembers am Brandenburger Tor einzufinden. Mit einer Großdemo protestierten mehrere tausend Landwirte in Berlin gegen die geplanten Streichungen von Subventionen – und die Proteste dauern an.

Der Präsident des Deutschen Bauernverbands Joachim Rukwied hält das Vorhaben der Ampel-Koalition, den sogenannten Agrardiesel für die Land- und Forstwirtschaft zu streichen, für absolut inakzeptabel: „Dieses Vorhaben ist eine Kampfansage an die deutsche Landwirtschaft und an uns Bauernfamilien.“ Er spricht von einer weiteren massiven Belastung für die Betriebe und einer starken Schwächung im europäischen Wettbewerb. Zudem müssten Verbraucherinnen und Verbraucher am Ende die Zeche zahlen, denn Lebensmittel würden sich nochmals deutlich verteuern. Wenn die Bundesregierung die unzumutbaren Vorschläge nicht zurücknehme, würden Landwirte mit weiteren Protesten, „wie sie das Land noch nicht erlebt hat“, dafür sorgen, dass es „einen sehr heißen Januar“ gebe, zitiert die Tageszeitung WELT den Präsidenten des Deutschen Bauernverbands.

Auch Julia Klöckner (CDU) äußerte sich im Sinne der Landwirte: Es sei unklug und nicht verhältnismäßig, die Landwirtschaft so stark zu belasten, denn „ein Prozent der Bevölkerung soll zehn Prozent Ersparnis bringen“, sagte die ehemalige Bundeslandwirtschaftsministerin dem ZDF.

Julia Klöckner im heute journal

FDP kündigt Veto an

Was bedeutet die Haushaltsentscheidung nun konkret? Werden Landwirte bald auf Steuersubventionen verzichten müssen? Die Antwort ist ein klares: Vielleicht! FDP-Fraktionschef Christian Dürr hat bereits ein Veto gegen die Pläne der Ampelregierung angekündigt. Damit stellt er den Kompromiss seines Bundesfinanzministers Christian Lindner infrage, den dieser gemeinsam mit Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ausgearbeitet hatte, um die Finanzierungslücken im Haushalt zu schließen.

Dürr betont, man halte die starke Belastung der landwirtschaftlichen Betriebe für nicht zustimmungsfähig. „Es wird zu oft von angeblich klimaschädlichen Subventionen gesprochen, ohne auf die sozialen und wirtschaftlichen Folgen der Abschaffung zu schauen.“ Lindner habe deshalb bereits zugesagt, der Regierung Alternativen vorlegen zu wollen, wenn die Koalitionspartner zustimmten.

Grüne sind uneins

Auch Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) kritisiert die geplante Maßnahme und fordert, sie zu überdenken. Die Landwirtschaft werde in problematischer Weise überproportional belastet.

Gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) betont er, dass es natürlich grundsätzlich möglich sein müsse, klimaschädliche Subventionen abzubauen. Bei den schweren Landmaschinen sei es aber problematisch, da es keine Elektro-Alternativen gebe. Den Ärger der Landwirtschaft über den Beschluss könne er also „gut verstehen“. Und die Entscheidung selbst? Die habe ihn überrascht, sagt Özdemir. Zudem warnte er vor einer überproportionalen Belastung, wenn sowohl die Agrardieselbeihilfe als auch die Kfz-Steuer-Befreiung gestrichen würden. Das wäre ein Wettbewerbsnachteil gegenüber anderen Ländern.

Und was sagt die SPD?

Auch in der SPD werden Stimmen laut, die vermuten lassen, die Ampel-Regierung werde sich nach den massiven Protesten der Landwirte nochmal bewegen. Laut BILD zeichnet sich eine Wende ab: Der Vize-Chef der SPD-Bundestagsfraktion Dirk Wiese sagte dem Medium, die Koalition suche „nach einer Lösung für kleine Betriebe von bis zu 80 Hektar Größe“. Der Druck sei für diese zu groß. Steuernachlässe könnten demnach für eine begrenzte Anzahl an Litern pro Hof gewährt werden. Das Problem bleibe allerdings bestehen. Denn: Irgendwo müssten die Milliarden ja eingespart werden.

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